26.12.2020 | Die Augsburger Puppenkiste trauert
Jürgen Marschall starb an Weihnachten
»Wie kommt man zur Puppenkiste? Nun – mit dem Bus bis „Margareth“ und dann die restlichen paar Meter zu Fuß. Na ja, so einfach war es für mich dann doch nicht. Der Weg dorthin führte über viele, nicht einmal uninteressante Umwege.«
So stellte sich Jürgen Marschall 1992 in einem Programmheft der Augsburger Puppenkiste vor. Geboren wurde er am 25. Juli 1958 in Augsburg als Enkel der Puppenkiste-Gründer Walter und Rose Oehmichen und Sohn von Oehmichens Tochter Hannelore Marschall-Oehmichen und deren Mann Hanns-Joachim Marschall, der das Theater von 1973-1992 leitete.
Schon im zartesten Alter lieh er Jim Knopf in der Schwarzweiß-Verfilmung als Baby seine Stimme. Doch entgegen der Hoffnung in der Familie, auch er würde früh in das Familienunternehmen einsteigen, ging Jürgen Marschall zunächst seinen eigenen Weg. Er begann eine Malerlehre, gab dann aber seiner Leidenschaft zur Musik nach, betätigte sich als DJ und selbständiger Gastronom mit eigener Kneipe.
Anfang der 1990er stieß er schließlich doch noch zur Puppenkiste und unterstützte fortan seine Mutter, von der er das Schnitzen lernte, in der Puppenwerkstatt:
»… vieles habe ich mir als Erwachsener von meiner Mutter abgeschaut. Ich habe zusammen mit ihr in der Werkstatt gearbeitet. Sie hat mir zwar nicht viel erklärt, aber ich habe doch das meiste von ihr gelernt, indem ich ihr zugesehen habe.«
In den fast dreißig Jahren seiner Arbeit in der Puppenkiste hat so auch er zahlreiche Figuren für die Bühne sowie Film- und Fernsehproduktionen geschaffen, u. a. für den Kinofilm
Die Story von Monty Spinnerratz, die Serie
Lilalu im Schepperland, die Stücke
Rumpelstilzchen,
Don Giovanni und der steinerne Gast,
Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel oder zuletzt für
Die Weihnachtsgeschichte sowie die jährlichen Kabaretts der vergangen drei Jahrzehnte.
Zusammen mit der Kölner Gruppe »Die Museumsratten« betreute er zum 50jährigen Jubiläum die große Wanderausstellung der Augsburger Puppenkiste. Mit dem Umbau der Räumlichkeiten des Theaters im ehemaligen Heilig-Geist Spital zur Jahrtausendwende entstanden für Jürgen Marschall gleich zwei neue Betätigungsfelder: Zum einen wirkte er im neu geschaffenen Puppentheatermuseum »die Kiste« als künstlerischer Berater, zum anderen leitete er seitdem das Bistro und Café im Foyer des Hauses und brachte hier seine früheren Erfahrungen aus der Gastronomie ein.
Am Heiligen Abend 2020 starb er nach längerer Krankheit, gegen die er sich zuletzt noch mehrfach behaupten konnte, im Alter von 62 Jahren.
(26.12.2020 CP)