Bühne | 1979
Der Kleine Prinz
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Premiere: | | 21.09.1979 |
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Buchvorlage: | |
Antoine de Saint-Exupéry 1
Grete Leitgeb 2
Josef Leitgeb 3
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Bearbeitung: | |
Alfred Mühr |
Inszenierung: | |
Walter Oehmichen |
Regie: | |
Hanns-Joachim Marschall |
Puppenbau: | |
Walter Oehmichen Hannelore Marschall-Oehmichen |
Kostüme: | |
Rose Oehmichen Christiana Seyfang |
Bühnenbild: | |
Christa Brigitte Geis |
Musik: | |
Bernhard Stimmler |
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Inhaltsangabe:»Bitte … Zeichne mir ein Schaf!« – Mit diesen Worten reißt eine zarte helle Stimme den erschöpften Piloten »Saint-Ex« aus seinen verzweifelten Gedanken, denen er sich nach seinem Flugzeugabsturz in der Wüstenei der Sahara ergeben hatte. Die Stimme gehört einem kleinen blond gelockten, grün gewandeten Jungen, der dem Flieger von seinen Sorgen um das Schlechte im Leben berichtet. Der Pilot fühlt sich an Lehren und Erfahrungen seiner Jugend erinnert. Er zeichnet das gewünschte Schaf; einmal, zweimal, dreimal – doch mit keinem Entwurf ist das kleine Kerlchen zufrieden. Erst als es eine Kiste skizziert bekommt, in der sich das Schaf befinden soll, ist es glücklich. Kein Zeichner kann ein Schaf schließlich so schön zeichnen, wie die Phantasie es sich auszumalen versteht …
Im Folgenden beginnt der kleine Prinz dem langsam verdurstenden Flieger von seinem kleinen Planeten, seiner Rose, seiner wundersamen Reise zur Erde und seinen merkwürdigen Begegnungen zu erzählen. Durch die Augen des unschuldigen kindlichen Prinzen offenbart sich dem Flieger Wahrheit um Wahrheit über das Leben und die unsinnige Natur manchen menschlichen Strebens. So begreift auch er schließlich die Worte »Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.« und lässt den kleinen Jungen schweren Herzens seine Reise zurück zu dem kleinen Planeten und der »einzigen« Rose antreten, wenngleich er ahnt, dass das kleine Kerlchen dabei sein Leben lassen wird, während er selbst dank dessen Hilfe überleben und seine Maschine reparieren konnte.
Bühnenbild und Szenenfolge:
Das Programmheft gibt leider keine Auskunft über die Szenenfolge, sie kann jedoch wie folgt beschrieben werden:
Vorspiel: |
Der Flieger sitzt auf dem Proszenium und wendet sich an das Publikum |
1. Szene: |
Dünenlandschaft abseits der Absturzstelle (Wüste 1), zunächst Abend-, dann Nachthimmel |
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(Flieger auf dem Proszenium) |
2. Szene: |
Kosmos (Planeten fliegen je von rechts nach links durch den Bühnenausschnitt, Flieger auf dem Proszenium) |
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--- Asteroid B612 (der Planet des kleinen Prinzen) |
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--- Asteroid 325 (der Planet des universellen Herrschers) |
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--- Asteroid 326 (der Planet des Eitlen) |
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--- Asteroid 327 (der Planet des Säufers) |
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--- Asteroid 328 (der Planet des ernsthaften Geschäftsmannes) |
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--- Asteroid 329 (der Planet des Laternenanzünders) |
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--- Asteroid 330 (der Planet des Geografen) |
3. Szene: |
Auf der Suche nach den Menschen |
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--- Wüste 1 bei Nacht (v. l. n. r.) |
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--- Wüste 2 (neben einer Straße eine Blume, Dünenberg, v.l.n.r.) |
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--- Rosengarten (v.l.n.r.) |
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--- Fuchsbau unter dem Apfelbaum (v.r.n.l.) |
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--- Rosengarten (v.l.n.r.) |
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--- Fuchsbau unter dem Apfelbaum (v.r.n.l.) |
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--- Bahnübergang mit Stationshaus |
4. Szene: |
Dünenlandschaft abseits der Absturzstelle mit auftauchendem Brunnen (Wüste 1, Flieger auf dem Proszenium) |
Nachspiel: |
Der Flieger sitzt auf dem Proszenium und wendet sich an das Publikum |
Figuren und Sprecher:
3. Szene – unter dem Apfelbaum: Der Fuchs schenkt dem Prinzen ein Geheimnis: » Man sieht nur mit dem Herzen gut …«
[© Bayerischer Rundfunk, Screenshot]
4. Szene:
Hanns-Joachim Marschall im Dialog mit dem kleinen Prinzen
[© Bayerischer Rundfunk, Screenshot]
Kritiken/ Pressestimmen:[...] "Der kleine Prinz" kommt wieder
Gleichzeitig laufen die letzten Vorbereitungen zur Neuinszenierung von Antoine de Saint-Exuperys "Der kleine Prinz", einem der bisher größten Erfolge. In den Werkstätten der Spitalgasse wird seit Wochen eifrig gearbeitet, Kulissen wurden gebaut und bemalt und der Fuchsbau nimmt seine endgültige Gestalt an. Der blondgelockte kleine Prinz und die übrigen Darsteller hängen fein säuberlich in Plastiksäckchen, damit sie bis zur Premiere nicht unnötig einstauben. Die Rollen der Schauspieler sind auf dem schon fertig geschnittenen Tonband, das nur noch "gemischt" werden muss.
"Außer unserem bewährten Augsburger Schauspielerensemble konnte ich auch den langjährigen Freund Walter Oehmichens, den unvergessenen Eduard Marks aus Hamburg für die Rolle des Geografen gewinnen. Als Honorar hatte er sich eine echte Augsburger Schnecke (gemeint ist Bratwurst) von meinem Gartengrill ausbedungen", verrät schmunzelnd Hanns-Joachim Marschall.
Bis zur Premiere müssen sich die erwachsenen Zuschauer noch etwas gedulden. Sie findet erst am 29. September statt. Die Theatergemeinde hat, wie in jedem Jahr, den Vorrang; sie kann schon eine Woche vorher die Aufführung des "Kleinen Prinzen" besuchen. Doch für die Kinder und alle Erwachsenen, die jung geblieben, heißt es auf jeden Fall ab kommenden Dienstag in der "Augsburger Puppenkiste": "Vorhang auf!"
(Fortsetzung des AZ-Artikels aus August 1979 im Datensatz "Kabarett 1979")
Wiedersehen mit dem Kerlchen
"Der kleine Prinz" von Oehmichen-Marschall in der Augsburger Puppenkiste
1951 hat Walter Oehmichens deutschsprachige Marionetten-Adaptation von Antoine de Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" den internationalen Durchbruch der "Augsburger Puppenkiste" eingeleitet. Später war dieses Ereignis großer Puppenspielkunst viele Jahre wegen Verkaufs der Autorenrechte nach Hollywood von europäischen Bühnen verbannt. Nun ist das ausgestanden und die flachshaarige Lieblingspuppe des vor knapp zwei Jahren verstorbenen Walter Oehmichen von langem Magazinschlaf auferstanden. Nach der hausüblichen Vorlaufpremiere, erlebte ein gerührtes Publikum die öffentliche Premiere, die eigentlich keine war, weil unter der behutsamen Aegide des Oehmichen-Schwiegersohns Hanns-Joachim Marschall die poetische Substanz der Inszenierung von 1951 rein erhalten geblieben ist.
Eine Substanz, die noch ganz mit den Stilmitteln einer armen Zeit auskam, so wie Teenager von damals noch die dürftige erstmalige Holzpapierausgabe des Karl-Rauch-Verlages im Bücherschrank hüten, nach der Alfred Mühr seine Stückbearbeitung für Augsburg erstellt hat. Und es stellt sich heraus, dass es mehr als nur hausinterne Pietätsgründe dafür gibt, dass alles geblieben ist, wie es damals war. Die karge Inszenierung macht deutlich, dass Traum geblieben ist, was der 44jährige im vorletzten Kriegsjahr auf einem Aufklärungsflug über Korsika verschollene "Saint-Ex" in der Titelfigur seines Märchens verdichtet hat: eine Welt, in der Liebe und Freundschaft es leichter haben werden. Der große Aufbruch der Nachkriegsjahre schwingt da noch mit, aus dem leider nichts geworden ist.
Der als solcher auch selten gewordene Respekt vor einer Vaterfigur verändert die Inszenierung allerdings an einem entscheidenden Punkt. Der Flieger, der nach seiner Notlandung in der Wüste das wundersame Kerlchen mit dem steifen Schlips trifft, diskutiert nicht mehr wie weiland Oehmichen mit der Puppe auf der Bühne. Hanns-Joachim Marschall sitzt als Erzähler im Halbdunkel neben der Bühne. Das verstärkt aber eher noch den exemplarischen Rahmen der Spielhandlung in der kargen Wüste und auf den (von Christa Brigitte Geis entworfenen) verspielten Mini-Planeten. Diese Handlung spielt auf dem Hausstern des Titelhelden mit Kochkratern und Schrebergartenproblemen um die Rose, die ihn zum idealen kleinen Kavalier erzieht, sodann auf den lustigen Trabanten mit den Leuten, die als ironische Chiffren auftreten - dem Geschäftsmann etwa mit den fünfhundertundeins Millionen Sternen, dem Laternenanzünder mit der Schwierigkeit, nach Art heutiger Schulmeister geänderte Verhältnisse und bleibende Vorschriften in Übereinstimmung zu bringen, und dem Weichensteller mit seinem ziellos herumsurrenden D-Zug Paris-Kairo.
Es war 1951 und ist 1979 absolut plausibel dargestellt, warum der kleine Prinz sich von der Schlange totbeißen lässt, um zu seiner schwierigen Rose heimkehren zu können, nachdem ihn der Fuchs aufgeklärt hat, was liebhaben bedeutet: einander zähmen und füreinander da sein. - Alt und weise sind die Puppen von Walter Oehmichen und seiner Tochter Hannelore und die musikalischen Ohrwürmer von Bernhard Stimmler. Neu bis auf den "Rocher de bronce" Rose Oehmichens sind die dramaturgisch gewaltigen Stimmen aus dem Schauspielensemble der Städtischen Bühnen Augsburg (Naumann, Roggen, Jentsch, Bergler, Ziemann, Wäsche, Küppers, Hackenberger, Herbert Meyer) und der Freundesdienst des großen alten Eduard Marks in der winzigen Rolle des Geographen. Summa: Zum Hingehen.
(Artikel Dr. Elisabeth Emmerichs in der AZ am 02.10.1979)