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Bühne | 1976
Leonce und Lena



Premiere:17.09.1976
Theatertext: Georg Büchner
Inszenierung: Manfred Jenning
Puppenbau: Hannelore Marschall-Oehmichen
Kostüme: Rose Oehmichen
Entwürfe/ Figurinen: Susanne Lappe
Bühnenbild: Susanne Lappe
Musik: Hermann Kropatschek
Inhaltsangabe:
Prinz Leonce ist von der Welt, ihrem Treiben und ihren Genüssen angeödet und flieht mit seinem närrischen Freund Valerio, für den das Leben allein aus Nichtstun und Essen besteht, vom Hof seines vertrottelten Vaters, wo er auch die Liebe zur Tänzerin Rosetta zurücklässt.
Vor allem veranlasst ihn zur Flucht seine bevorstehende Vermählung mit der Prinzessin Lena, die er gar nicht kennt.
Doch auch Lena will sich nicht verheiraten lassen – sie kennt ihren Gemahl in spe ebensowenig – und flüchtet mit ihrer Gouvernante.
Wie es ausgeht?
Wie im Märchen.


Bühnenbild und Szenenfolge:
Vorspiel "E la Fama? - E la Fame?" (auf dem Proszenium)
1.Akt, 1.Szene: Ein Garten mit Schaukel
1.Akt, 2.Szene: Ankleidezimmer im Schloss des Königs Peter
1.Akt, 3.Szene: Ein reichgeschmückter Saal
1.Akt, 4.Szene: Ein Garten
2.Akt, 1.Szene: Freies Feld, ein Wirtshaus im Hintergrund, ein Schlagbaum (Bühnenwagenfahrt)
2.Akt, 2.Szene: Das Wirtshaus auf einer Anhöhe, an einem Fluss, weite Aussicht, der Garten vor demselben
2.Akt, 3.Szene: Ein Zimmer
2.Akt, 4.Szene: Der Wirtsgarten am Flussufer. Nacht im Mondschein
Pause
3.Akt, 1.Szene: Der Wirtsgarten am Flussufer: Am nächsten Morgen1
3.Akt, 2.Szene: Freier Platz vor dem Schlosse des Königs Peter
3.Akt, 3.Szene: Großer Saal
Figuren und Sprecher:
König Peter, vom Reiche Popo
Sepp Wäsche
Prinz Leonce, sein Sohn
Winfried Küppers
Prinzessin Lena, vom Reiche Pipi
Ariane Roggen
Valerio
Heinz Hermann Bernstein
Die Gouvernante
Gunda Maria Jentsch
Der Hofmeister
Manfred Jenning (als Otto Maas)
Der Präsident
Hanns-Joachim Marschall
Der Hofprediger
Dr. Erich Ziemann
Der Landrat
Gerhard Jentsch
Der Schulmeister
Manfred Jenning
Rosetta
Christel Peschke
1. Polizeidiener
Hermann Wächter
2. Polizeidiener
Herbert Meyer
Zeremonienmeister
Arno Bergler
1. Bedienter
Manfred Jenning
2. Bedienter
Herbert Meyer
Staatsräte
Arno Bergler
Hermann Wächter
Hanns-Joachim Marschall
Herbert Meyer
1. Bauer
Hanns-Joachim Marschall
2. Bauer
Winfried Küppers
3. Bauer
Gerhard Jentsch

Vorspiel auf dem Proszenium: Zwei Lakeien warten, bis das Publikum Platz genommen hat, und öffnen dann die Puppenkiste
[© Hans-G. u. Christine Meile (Rechtsnachfolge: Matthias Böttger)]

1. Akt, 1. Szene: Prince Leonce (r.) hadert in Gegenwart des Hofmeisters mit der Sinnlosigkeit seiner Existenz
[© Gregor Schwank, Private Fotografie]

1. Akt, 2. Szene: König Peter vom Reihe Popo wird von zwei Bedienten angekleidet
[© Hans-G. u. Christine Meile (Rechtsnachfolge: Matthias Böttger)]

1. Akt, 3. Szene: Leonce (2. v. r.) hat Valerio (r.) mit ins Schloss genommen und gerade eine Passion zu sitzen - und zwar am liebsten einfach auf dem Boden - als der Staatsrat ihn aufsucht und der Präsident (m.) ihm eröffnet, dass Leonce sich nach Willen seines Vaters am nächten Tag mit Prinzessin Lena aus dem Reihe Pipi zu vermählen habe.
[© Gregor Schwank, (Private Fotografie)]

2. Akt, 4. Szene: Leonce und Lena liegen sich in den Armen, obwohl sie wissen, dass sie nie wirklich zusammen gehören dürfen
[© Hans-G. u. Christine Meile (Rechtsnachfolge: Matthias Böttger)]

Kritiken/ Pressestimmen:
Märchen-Ironie mit Marionetten
»Leonce und Lena« als Abendstück in der Augsburger Puppenkiste
Georg Büchners Prinz Leonce (»Frühling auf den Wangen, Winter im Herzen«) ist auf der großen Bühne nur noch spielbar, wenn man die Ironie der Figur noch einmal ironisch nimmt. Auf der Marionettenbühne sind solche Eselsbrücken überflüssig. Die »Augsburger Puppenkiste« hat ihr neuestes Abendstück als Lustspiel angekündigt, und tatsächlich fällt die Einordnung dieses genialischen Wechselbalgs zwischen romantischem Märchendrama und jungdeutscher Satire sogar den Germanisten schwer.
Die Augsburger Bearbeitung von »Leonce und Lena« tänzelt am Gelehrtenstreit vorbei, genau auf der Strichlinie komödiantischen Spiels mit den Ausdrucksmöglichkeiten der Marionette. Manfred Jenning, fernseherprobter Haus-Routinier fürs Kindermärchen, mausert sich dabei dramaturgisch und regiemäßig für die höheren literarischen Aufgaben, die am Augsburger Marionettentheater eine rare Heimstadt unter seinesgleichen haben.
Das Panoptikum am Hof des Königs Peter von Popo ist vollgestellt mit Gags (Supergag: Staatsquartett mit Physiognomien aus einer Bildschirm-»Spitzen«diskussion vor eineinhalb Wochen!) ohne Gefahr der Überlastung. Alles balanciert haarscharf, volksliedhaft untermalt (Musik: Hermann Kropatschek), zwischen eindeutigem Märchenzauber, zweideutigen Sommernachtsscherzen und vieldeutig leiser Bösartigkeit. Wie es eben mit Marionetten geht, wenn man seinen Kleist dazu gelesen, demzufolge die Puppe den Boden höchstes streift, während der (schauspielernde) Mensch den Fuß draufstellen muss, und dabei womöglich schon unnötigen Lärm macht.
Auf solchem Hintergrund springen die kapriziösen Dialoge zwischen Leonce – er ist hier eine Art zum Weltverächter umgedrehter »Kleiner Prinz« – und seinem erdverbundenen Widerpart Valerio. Auch bei dessen einfallsreichen Rüpeleien bleibt Gelächter kaum an der Oberfläche hängen. Mehr als das halbe Augsburger Schauspielensemble ist bis herunter zu den Wurzeln mit den Sprechaufgaben hörbar seelenvergnügt beschäftigt.
Susanne Lappe zeichnet verantwortlich für den teilweise superben Witz der Puppenköpfe (produziert und kostümiert von den stets verlässigen Damen Marschall und Oehmichen) sowie für die Bühnenbilder. Vor phosphoreszierenden Wechselrahmen-Landschaften mit einem sehr hübschen surrealen Touch ereignet sich die Verwandlung des prinzlichen Stoffels, der seine permanenten erotischen Fluchtreaktionen mit kauzigen Kurzfeuillitons deckt, bis ihn die Prinzessin Lena von Pipi in einem italienischen Wirtsgarten vom Kopf auf die Füße stellt. Am Premierenschluss eine unüblich lange Serie von »Vorhängen«, stellvertretend von zwei hinreißenden alten (Puppen-)Knaben im Lakaienfräckchen auf dem Vorpodium entgegengenommen. Das mit Abstand Beste, was der Augsburger Saisonstart anzubieten hat.
(Dr. Elisabeth Emmerich)
Archivmaterial:

Druckmedien (18)
  • 1)   Sachbuch/Fachliteratur | Becker, Christa (Hrsg.); Geissler, Claus-Dieter (Hrsg.); Marschall, Klaus (Hrsg.); Missmahl, Steffen (Hrsg.); Scheerbaum, Peter (Hrsg.): 50 Jahre Augsburger Puppenkiste. Berlin: Rütten & Loening, 1997
  • 2)   Sachbuch/Fachliteratur | Boden, Markus: Der Hände Arbeit. 17 Handwerkskünste der alten Tradition. Stephanskirchen: Weishäupl Möbelwerkstätten, 1998
  • 3)   Sachbuch/Fachliteratur | Kapp, Gabriele (Hrsg.); von Kleist, Heinrich: Über das Marionettentheater. Studienausgabe. Stuttgart: Reclam Philipp jun. GmbH & Co. KG, 2013
  • 4)   Programmheft/Programmzettel | Leonce und Lena. Städtische Bühnen Augsburg. Augsburger Puppenkiste. 1976
  • 5)   Programmheft/Programmzettel | Leonce und Lena. Augsburger Puppenkiste. Oehmichens Marionettentheater. 1996
  • 6)   Zeitungsartikel | Büchners »Leonce und Lena« feierte in der Augsburger Puppenkiste als neues Abendstück seine beifallumrauschte Premiere. . 1976
  • 7)   Zeitungsartikel | Die Kronen der Woche gebühren heute. Der Aufführung von »Leonce und Lena« [...]. 1976
  • 8)   Zeitungsartikel | Emmerich, Dr. Elisabeth: Märchen-ironie mit Marionetten. »Leonce und Lena« als Abendstück in der Augsburger Puppenkiste. 1976
  • 9)   Zeitungsartikel | Zauber im Passepartout. »Leonce und Lena« im Marionettentheater. 1976
  • 10)   Zeitungsartikel | Alles wie am Schnürchen .... Erfolgreiche Bilanz des Augsburger Marionettentheaters. In: Süddeutsche Zeitung vom 0. Mai 1977
  • 11)   Zeitungsartikel | Neuwirth, Herbert: Alle Finger voll zu tun, um ihre »Kinder aus Holz« lebendig zu machen. Es dauert fünf Jahre, bis man die Fäden sicher »lenkt«. 1984
  • 12)   Zeitungsartikel | Schenk-De Groot, Ursula: Die Fäden der Marionette reichen bis ins Herz. Augsburger Puppenkiste/ Wie Spieler Figuren beleben / Urmel und Hotzenplotz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Mai 1996, S. 11-12
  • 13)   Zeitschriftenartikel | Kulturreferat der Stadt Augsburg (Hrsg.); Preißinger, Irmingard: Leonce und Lena – bezaubernde Premiere am Roten Tor. In: Augsburger Kulturnachrichten, 1976, S. 12
  • 14)   Zeitschriftenartikel | Preißinger, Irmingard: Verliebt in die Augsburger Puppenkiste .... In: Die Woche in Augsburg, Jg. 26, Nr. 11, 18.09.–17.10.1976, S. 15-17
  • 15)   Zeitschriftenartikel | Boese, Angelika: Wir lassen jeden Tag die Puppen tanzen. In: freundin, Jg. 1977, 1977, S. 254–260
  • 16)   Zeitschriftenartikel | Seeßlen, Georg: Lasst die Puppen tanzen. Über die Welt der Puppen und die "Augsburger Puppenkiste". In: Merian - Das Monatsheft der Städte und Landschaften. Augsburg, Jg. 38, Nr. 4, April 1985, S. 123-127
  • 17)   Zeitschriftenartikel | Müller-Doldi, Arthur: An den "Leitungen" der Menschen – die Marionette. Film und Theater im Leben der Augsburger Puppenkiste. In: Das Bayernland, Jg. 1985, Nr. 4, Dezember, S. 64–66

  •    1 Anmerkung zum 3. Akt, 1. Szene:
    In Büchners Urfassung spielt sich diese Szene in Leonces und Valerios Wirtshauszimmer ab.
    Ob dies auch in der Inszenierung der Augsburger Puppenkiste der Fall war, war lange Zeit unklar. Der Grund hierfür: Es existieren zwei unterschiedliche Schriftsätze des Textbuchs von Manfred Jenning. In Schriftsatz 1, der an Sprecher und Mitarbeiter mit technischen Aufgaben ausgegeben wurde, wird die Szene zwar ebenfalls als "Zimmer im Wirtshaus" beschrieben, aber in Schriftsatz 2, den Jenning später anfertigte und selbst für seine Regietätigkeit nutzte, fehlt die Szenenbildbeschreibung.
    Ob dies ein Versehen war oder mit bestimmter Absicht geschehen ist, war unklar. Dass für diese Szene kein Bühnenbildentwurf von Susanne Lappe existiert, unterstützte den Verdacht, dass die Handlung aus dem Wirthauszimmer von Leonce und Valerio vor ein anderes schon vorhandenes Szenebild verlegt worden sein könnte. Das Programmheft konnte zur Klärung der Frage nichts beitragen - darin werden keine Angaben zu den Szenen gemacht.

    Aufschluss gab schließlich das Aufgabenbuch der Puppenspielerin Sylvia Witschel, die bei dieser Inszenierung den Leonce und diverse andere Rollen führte, aber auch Farbfilter an Bühnenscheinwerfern zu wechseln hatte. Ihren Aufzeichnungen ist klar zu entnehmen, dass nach Ende des 2. Akts nur die Lichtstimmung wechselte. Auf "2.Akt, 4.Szene: Der Wirtsgarten am Flussufer. Nacht im Mondschein" folgte getrennt durch die Pause nochmals der Wirtsgarten am Flussufer - diesmal jedoch in Tageslichtstimmung. Offenbar hatte Manfred Jenning entschieden, sich ein weiteres Szenenbild, das ein karges Wirtshauszimmer zeigt, zu sparen, ließ Leonce und Valerio darum im Freien übernachten und ihren Dialog am nächsten Morgen im Wirtsgarten stattfinden.

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