Bühne | 1955
Cenodoxus – Der Doktor von Paris
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Premiere: | | 07.05.1955 |
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Theatertext: | |
Jakob Bidermann 1
Joseph Gregor 2
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Inszenierung: | |
Walter Oehmichen |
Puppenbau: | |
Hannelore Oehmichen |
Kostüme: | |
Rose Oehmichen |
Bühnenbild: | |
Ernst Josef Ammann |
Musik: | |
Hermann Amann |
Ton: | |
Walter Schellemann |
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Inhaltsangabe:Die Comico Tragödie
Cenodoxus ist eine Variation des
Jedermann-Stoffes. Sie stellt die Frage nach dem Schein und Sein in den Mittelpunkt, erzählt von Leben, Tod und Verdammung des beliebten und gelehrten Advokaten Doktor Cenodoxus und behandelt Stoff aus dem Leben des Heiligen Bruno, des Stifters des Kartäuserordens.
Zu Beginn des Spiels verjagt Cenodoxus' Hausfrau Dama den Schmeichler und Parasiten Mariscus mit der Bemerkung, im Haus des Doktors sei die Pest ausgebrochen. Die Szene antizipiert das Stück, denn das Haus ist – allerdings nur im übertragenen Sinne – wirklich verseucht. Die teuflische Flamme Philautia (die Eigenliebe) in Gestalt einer jungen Frau hat sich bereits vor geraumer Zeit im Hause eingenistet und trachtet danach, den Hausherrn zu versündigen.
Cenodoxus repräsentiert jedoch nicht den sündigen Menschen schlechthin, sondern vielmehr einen »Scheinheiligen«, der überall zwar als Humanist, Gelehrter und zutiefst gläubiger Christ bekannt ist, diese Fassade jedoch nur um seines Ansehens Willen vorgibt.
So bemerkt Luzifers loyalster Anhänger Asteroth (der Grossherzog der Hölle) gegenüber Panurgus, dem Teufel der Gelehrsamkeit ganz richtig: »Der Ruf dieses Mannes macht ihn selbst dem Himmel unverdächtig.« Aus diesem Grund wird in Form der mächtigen Hypocrisis (der Gleißnerei), die als Schlange bereits Eva verführte, ein weiterer Teufel in Frauengestalt auf die Erde entsandt. Sie soll dort triumphieren, wo Philautia scheiterte. Cenodoxus soll Gott fluchen!
Diese Anballung teuflischer Mächte kann der Himmel jedoch nicht unbeachtet lassen. Wurde Cenodoxus bislang lediglich von seinem Schutzengel, der ihm unerkannt unter dem Namen Albertus zur Seite stand, geschützt, erhält dieser nun Hilfe von Conscientia (dem Gewissen), welche unter dem Namen Magda in des Doktors Leben tritt.
Es beginnt ein Tauziehen der Mächte um des Gelehrten Seele, bis schließlich Morbus (die Krankheit) auf den Plan tritt und Cenodoxus dem Tod in die Hände spielt, noch bevor der hin und her gerissene Mensch seinen Schöpfer geflucht hat. Die Hölle scheint den Kampf verloren zu haben, doch selbst die vorbildliche Haltung eines christlichen Weisen, die Cenodoxus noch auf dem Sterbebett wahrt, geht auf Philautias Einflüsterungen zurück, sodass auch hier alles Verdienstliche fehlt.
Somit ist das Tauziehen also noch nicht beendet: Der Kampf wird nun lediglich an höherem Ort ausgetragen, während über des Advokaten Seele gerichtet wird.
Bühnenbild und Szenenfolge:
Im Programmheft wurde keine Auskunft zur Szenenfolge des Stückes gegeben. Auch im Skript sind keine Szenenbildbeschreibungen von
Joseph Gregor vorgegeben. Handschriftlich wurden von
Walter Oehmichen lediglich Angaben nachgetragen, wonach der Vorhang nur zwischen den drei Akten gezogen wurde. Zwischen den Szenen müssen demnach je nach Bedarf Verwandlungen und Bühnenwagenfahrten zum Szenenwechsel gedient haben. Die nachfolgende Liste der Szenenbilder ließ sich leider auch nicht ohne Weiteres dem Skript entnehmen, da
Joseph Gregor die drei Akte nicht auf Grundlage der unterschiedlichen Szenenbilder, sondern anhand der Auftritte untergliederte (1.Akt = 7 Auftritte; 2.Akt = 18 Auftritte; 3.Akt = 4 Auftritte). Erst durch Lektüre des Textes bei gleichzeitigem Abgleich mit den unten angefügten Fotos der Aufführung in Augsburg und der in Belangen der Inszenierung in Details stark abweichenden Verfilmung des
Bayerischen Rundfunks ließ sich die Szenenbildbeschreibung erstellen.
1.Akt, 1.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links das Haus des Cenodoxus
1.Akt, 2.Szene: Gewölbe in den Tiefen unter Paris
1.Akt, 3.Szene: Im Hause des Cenodoxus
1.Akt, 4.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links das Haus des Cenodoxus
2.Akt, 1.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links das Haus des Cenodoxus
2.Akt, 2.Szene: Im Hause des Cenodoxus
2.Akt, 3.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links das Haus des Cenodoxus
2.Akt, 4.Szene: Im Hause des Cenodoxus
2.Akt, 5.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links das Haus des Cenodoxus
2.Akt, 6.Szene: Im Hause des Cenodoxus
2.Akt, 7.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links das Haus des Cenodoxus
2.Akt, 8.Szene: Im Hause des Cenodoxus
2.Akt, 9.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links das Haus des Cenodoxus
Pause
3.Akt, 1.Szene: Vor dem höchsten Gericht
3.Akt, 2.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links die Mauerreste des Hauses
3.Akt, 3.Szene: Vor dem höchsten Gericht
3.Akt, 4.Szene: Platz vor einem Dom in Paris, links die Mauerreste des Hauses
Figuren und Sprecher:
Produktionsdaten:28.04.1955, 09:30 Uhr: Probe
28.04.1955, 15:00 Uhr: Probe
29.04.1955, 15:00 Uhr: Leseprobe
29.04.1955, 21:00 Uhr: Tonaufnahme
01.05.1955, 17:00 Uhr: Tonaufnahme
02.05.1955, 16:00 Uhr: Tonaufnahme
03.05.1955, 20:00 Uhr: Tonaufnahme
04.05.1955, 09:30 Uhr: Probe
04.05.1955, 17:00 Uhr: Tonschnitt
05.05.1955, 09:30 Uhr: Probe
05.05.1955, 15:00 Uhr: Probe
06.05.1955, 09:30 Uhr: Probe
06.05.1955, 15:00 Uhr: Probe
07.05.1955, 09:30 Uhr: Generalprobe

1.Akt, 2.Sz.: Die Mächte der Hölle beschließen Cenodoxus zu versündigen - (am Boden v.l.n.r.) Panurgus, Hypocrisis, Asteroth, (sowie schwebend v.l.n.r.) Asempholoth und Pausallioth
[© Fotostudio Meile]

2.Akt, 1.Sz.: Cenodoxus empfängt seine Schüler und einige Bettler vor seinem Haus - (v.l.n.r.) Mariscus, Cenodoxus, der Bettler Navegus, die Schüler Labeo und Naseo, der aussätzige Ptochus, der verstümmelte Exoristus, Stephanus, (und auf der Treppe v.u.n.o.) Philaretes, Rustikus und Smilax
[© Fotostudio Meile]

2.Akt, 8.Sz.: Als Cenodoxus erkrankt, konzentiert sich die Aufmerksamkeit der von Mariscus bestellten Ärzte mehr auf den Besitz des Patienten als auf seine Leiden - (v.l.n.r.) Mariscus, Cenodoxus, Dr. Machaon, Dr. Asklepios
[© Fotostudio Meile]

3.Akt, 1.Sz.: Luzifer steht als Ankläger im Prozess um die Seele des Cenodoxus vor dem höchsten Gericht - (v.l.n.r.) St. Peter, Erzengel Michael, Luzifer, Christus (als lichtes Kreuz), St. Paul, St. Johannes (Foto von 1958)
[© Fotostudio Meile]
Kritiken/ Pressestimmen:»Cenodoxus, der Doktor von Paris«
Die hier bereits vorgestellte Augsburger Marionettenbühne von Walter Oehmichen, bekannt in deutschen Landen unter dem Namen »Augsburger Puppenkiste«, hat zum Augsburger Jubiläumsjahr 1955 den berühmten »Cenodoxus, Doktor von Paris« herausgebracht. Joseph Gregor hat das Stück des Jesuiten Jakob Bidermann bearbeitet und Oehmichen hat es für das Spiel mit Marionetten eingerichtet und inszeniert. Es ist auch auf der Puppenbühne »eine der stärksten Tragödien« geblieben, die die Barockzeit aufzuweisen hat. Josef Nadler schreibt in seiner Literaturgeschichte des deutschen Volkes, der »Cenodoxus« sei sogar »das Meisterwerk des Barocktheaters, das alles umfasst, was dieser Bühne eigentümlich war und wenn man nur Zeit, Ort und Umstände im Auge behält, eine der stärksten Tragödien, die ein Deutscher schuf«. Und Joseph Gregor geht in seinem Schauspielführer sogar so weit, den »Cenodoxus« neben Shakesspeare zu stellen. Jakob Bidermann, der schwäbische Shakespeare, ist 1578 in dem Dorf Ehingen geboren, kam mit 8 Jahren zu den Augsburger Jesuiten in die Schule, mit 16 Jahren trat er in den Orden ein und wirkte am Augsburger Jesuitengymnasium, wo er das Schultheater zu betreuen hatte. Am 3. Juli 1602 wurde sein »Cenodoxus« dort zum erstenmal aufgeführt. Nach 353 Jahren erscheint diese »erste große Leistung des Frühbarock«, wie der Dichter Flemming sie bezeichnete, nun im Augsburger Marionettentheater.
Walter Oehmichen brachte am 7.5.55 die Premiere für die Augsburger Theatergemeinde heraus. 38 Gruppen ihrer Teilnehmer haben im Mai mit unverminderter Begeisterung diese Aufführung besucht.
Den auswärtigen Theatergemeinden und ihren Teilnehmern, die in diesem Jahr der Weg nach Augsburg führt, sei noch mitgeteilt, was die »Schwäbische Landeszeitung« (Thea Leitmair) u. a. über die Bearbeitung für das Marionettentheater und die Aufführung schrieb: »Wenn ein hochgebildeter Humanist zugleich auch ein hochgelehrter Jesuit ist, wenn dazu noch ein starker dramatischer Nerv und eine kräftige poetische Ader seine geistige Konstitution bestimmen, nimmt es nicht wunder, dass er aus einem simplen gegenreformatorischen Lehrstücklein ein kleines theatrum mundi von großer dramatischer Bewegtheit macht. Die Verzauberungskraft des Theaters mit souverän beherrschten, bühnentechnischen und poetischen Mitteln beschworen, wird dabei plötzlich zur ›propaganda fidei‹, die Erschütterung und Bekehrung auslösen und den Zuschauer womöglich vor dem Schicksal des Cenodoxus bewahren kann, der vor den Menschen alles, vor Gott nichts galt und einen Tag nach seinem Tode der Hölle überantwortet wurde, dieweil sein Leben nicht als eine ›Komitragödie‹ der menschlichen Eitelkeit war« ... Die »Inszenierung ist so voll Atmosphäre, dass man des umfangreichen technischen Aufwands vergisst, den die Darstellung des üppigen, vielverzweigten Spielgeschehens voraussetzt.«
Mit dieser Ehrengabe des Augsburger Marionettentheater in der Hand, heißt die Theatergemeinde Augsburg e.V. den Bund der Theatergemeinden e.V. zu dessen Jahresversammlung 1955 in Augsburg herzlich willkommen und wünscht, die Tage vom 17. bis 19. Juni möchten unter den gleichen »günstigen Auspizien« stehen wie die Aufführung dieses kleinen Welttheaters des »Cenodoxus« in Augsburg!
(F. in der Theaterrundschau am 1. Juni 1955)