Bühne | 1951
Der Kleine Prinz
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Premiere: | | 25.02.1951 |
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Buchvorlage: | |
Antoine de Saint-Exupéry 1
Grete Leitgeb 2
Josef Leitgeb 3
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Bearbeitung: | |
Alfred Mühr |
Inszenierung: | |
Walter Oehmichen |
Puppenbau: | |
Walter Oehmichen 4
Hannelore Oehmichen 5
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Kostüme: | |
Rose Oehmichen |
Bühnenbild: | |
Carlo Schellemann |
Musik: | |
Bernhard Stimmler |
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Inhaltsangabe:»Bitte … Zeichne mir ein Schaf!« – Mit diesen Worten reißt eine zarte helle Stimme den erschöpften Piloten »Saint-Ex« aus seinen verzweifelten Gedanken, denen er sich nach seinem Flugzeugabsturz in der Wüstenei der Sahara ergeben hatte. Die Stimme gehört einem kleinen blond gelockten, grün gewandeten Jungen, der dem Flieger von seinen Sorgen um das Schlechte im Leben berichtet. Der Pilot fühlt sich an Lehren und Erfahrungen seiner Jugend erinnert. Er zeichnet das gewünschte Schaf; einmal, zweimal, dreimal – doch mit keinem Entwurf ist das kleine Kerlchen zufrieden. Erst als es eine Kiste skizziert bekommt, in der sich das Schaf befinden soll, ist es glücklich. Kein Zeichner kann ein Schaf schließlich so schön zeichnen, wie die Phantasie es sich auszumalen versteht …
Im Folgenden beginnt der kleine Prinz dem langsam verdurstenden Flieger von seinem kleinen Planeten, seiner Rose, seiner wundersamen Reise zur Erde und seinen merkwürdigen Begegnungen zu erzählen. Durch die Augen des unschuldigen kindlichen Prinzen offenbart sich dem Flieger Wahrheit um Wahrheit über das Leben und die unsinnige Natur manchen menschlichen Strebens. So begreift auch er schließlich die Worte »Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.« und lässt den kleinen Jungen schweren Herzens seine Reise zurück zu dem kleinen Planeten und der »einzigen« Rose antreten, wenngleich er ahnt, dass das kleine Kerlchen dabei sein Leben lassen wird, während er selbst dank dessen Hilfe überleben und seine Maschine reparieren konnte.
Informationen:Der Kleine Prinz erfuhr kurz nach seiner Premiere einige Änderungen im Text und in der Inszenierung. Grund waren nachträglich vom
Karl Rauch Verlag vorgebrachte Auflagen, die dafür sorgen sollten, dass
Alfred Mührs Bühnenfassung dem Text der Buchvorlage »treuer« blieb. Die Premierenfassung wurde daher vermutlich nur wenige Monate gespielt, ehe das Stück ohne Ankündigung einer Neuinszenierung erstmals verändert aufgeführt wurde.
Bühnenbild und Szenenfolge:
Eine der Auflagen des
Karl Rauch Verlags war die, dass dem Stück der Eröffnungsmonolog aus dem Buch (Zueignung, Kindheitserinnerungen etc.) als Vorspiel vorangestellt werden musste.
Zudem musste das Nachspiel grundlegend umgestaltet werden.
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Die Premierenfassung spielte vor folgenden Szenen:
1.Szene: |
Dünenlandschaft abseits der Absturzstelle (Wüste 1), zunächst Abend-, dann Nachthimmel; (der Flieger auf der Bühne) |
2.Szene: |
Kosmos (Planeten fliegen je von rechts nach links durch den Bühnenausschnitt) (Flieger schlafend auf dem Proszenium) |
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--- Asteroid B612 (der Planet des kleinen Prinzen) |
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--- Asteroid 325 (der Planet des universellen Herrschers) |
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--- Asteroid 326 (der Planet des Eitlen) |
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--- Asteroid 327 (der Planet des Säufers) |
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--- Asteroid 328 (der Planet des ernsthaften Geschäftsmannes) |
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--- Asteroid 329 (der Planet des Laternenanzünders) |
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--- Asteroid 330 (der Planet des Geografen) |
3.Szene: |
Auf der Suche nach den Menschen (Bühnenwagenfahrten zeigen wechselnde Landschaften, Flieger schlafend auf dem Proszenium) |
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--- Wüste 1 bei Nacht (v. l. n. r.) |
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--- Wüste 2 (neben einer Straße eine Blume, Dünenberg, v.l.n.r.) |
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--- Rosengarten (v.l.n.r.) |
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--- Fuchsbau unter dem Apfelbaum (v.r.n.l.) |
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--- Rosengarten (v.l.n.r.) |
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--- Fuchsbau unter dem Apfelbaum (v.r.n.l.) |
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--- Bahnübergang mit Stationshaus |
4.Szene: |
Dünenlandschaft abseits der Absturzstelle mit auftauchendem Brunnen (Wüste 1, Flieger auf der Bühne) |
Nachspiel: |
Festgesellschaft (Bühnenausschnitt gleicht einem Fenster, vor dem der Flieger steht und die Sterne betrachtet)
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Die vom
Karl Rauch Verlag genehmigte überarbeitete Fassung fand vor folgenden Szenen statt:
Vorspiel: |
Der Flieger sitzt auf dem Proszenium und wendet sich an das Publikum |
1.Szene: |
Dünenlandschaft abseits der Absturzstelle (Wüste 1), zunächst Abend-, dann Nachthimmel |
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(der Flieger auf der Bühne) |
2.Szene: |
Kosmos (Planeten fliegen je von rechts nach links durch den Bühnenausschnitt - kein Bühnenwagen) |
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--- Asteroid B612 (der Planet des kleinen Prinzen) (Flieger steht am Rand des sichtbaren Bühnenausschnitts neben dem Planeten)
(mit Beginn der Planetenreise gerät er gemeinsam mit B612 aus dem Blickfeld) |
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--- Asteroid 325 (der Planet des universellen Herrschers) |
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--- Asteroid 326 (der Planet des Eitlen) |
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--- Asteroid 327 (der Planet des Säufers) |
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--- Asteroid 328 (der Planet des ernsthaften Geschäftsmannes) |
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--- Asteroid 329 (der Planet des Laternenanzünders) |
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--- Asteroid 330 (der Planet des Geografen) |
3.Szene: |
Auf der Suche nach den Menschen |
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--- Wüste 1 bei Nacht (v. l. n. r.) |
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--- Wüste 2 (neben einer Straße eine Blume, Dünenberg, v.l.n.r.) |
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--- Rosengarten (v.l.n.r.) |
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--- Fuchsbau unter dem Apfelbaum (v.r.n.l.) |
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--- Rosengarten (v.l.n.r.) |
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--- Fuchsbau unter dem Apfelbaum (v.r.n.l.) |
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--- Bahnübergang mit Stationshaus |
4.Szene: |
Dünenlandschaft abseits der Absturzstelle mit auftauchendem Brunnen (Wüste 1, Flieger auf der Bühne) |
Nachspiel: |
Der Flieger sitzt auf dem Proszenium und wendet sich an das Publikum |
Figuren und Sprecher:
In
Alfred Mührs Bearbeitung kamen ursprünglich diverse Figuren vor, die nie oder nur kurze Zeit ihren Weg auf die Bühne fanden.
Der Flieger als Marionette
7 und ein Affenbrotbaum mit drei Elefanten
8 wurden bereits im Probenprozess gestrichen,
9 obwohl zumindest die Flieger-Marionette bereits nach Vorbild
Walter Oehmichens angefertigt und während der ersten Proben auch verwendet worden war.
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Im Rahmen der Intervention des
Karl Rauch Verlags fielen dann fast alle Figuren dem Überarbeitungsprozess zum Opfer, die im Buch nur gezeichnet werden oder von denen nur berichtet wird (Schafe, Jäger etc.).
Die Figuren, die vor der Premiere gestrichen wurden, wurden in der folgenden Liste nicht erfasst. Alle Figuren, die erst nach der Premiere auf Verlangen des Verlages getilgt wurden, sind mit einem Sternchen markiert.
Produktionsdaten:21.05.1961: Bandaufnahme
09.06.1961, 10:00 Uhr: während eines Gastspiels in Mannheim anlässlich der 4. Deutschen Puppentheaterwoche wird eine Szene vor Fernsehkameras gespielt
Hannelore Oehmichen und
Ulla Oehmichen mit dem Buch von
Antoine de Saint-Exupéry
[© Fotostudio Meile, 1951]
Die Puppenwerkstatt im vormaligen Wintergarten der Familie
Oehmichen im Haus Donauwörther Straße 110 –
Walter Oehmichen schnitzt den Eitlen.
[© Fotostudio Meile, 1951]
Rose Oehmichen,
Hannelore Oehmichen und
Walter Oehmichen in der Werkstatt
[© Fotostudio Meile, 1951]
Hannelore Oehmichen und
Walter Oehmichen montieren den König
[© Fotostudio Meile, 1951]
Hannelore Oehmichen und
Walter Oehmichen montieren den König
[© Fotostudio Meile, 1951]
Hannelore Oehmichen bemalt das Gesicht des Säufers
[© Fotostudio Meile, 1951]
Rose Oehmichen kostümiert die Figuren
[© Fotostudio Meile, 1951]
Opernsängerin und Sprecherin
Beatrix Laqua im Zwiegespräch mit dem Prinzen
[© Fotostudio Meile, 1951]
Beatrix Laqua und der Prinz blättern gemeinsam im Bühnentextbuch
[© Fotostudio Meile, 1951]
Beatrix Laqua und der Prinz blättern gemeinsam im Bühnentextbuch
[© Fotostudio Meile, 1951]
Walter Oehmichen und der Prinz
[© Unbekannt & undatiert]
Der kleine Prinz.
[© Fotostudio Meile, 1951]
Walter Oehmichen und
Hannelore Oehmichen probieren den Flug des Prinzen mit den Zugvögeln
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Du siehst wohl, das wird kein Schaf. Das wird ein Widder. Es hat Hörner.« – Der kleine Prinz ist nicht leicht mit den Zeichenversuchen des Fliegers (
Walter Oehmichen) zufrieden zu stellen.
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Also hör mal, Knirps. Ich habe wirklich keine Zeit, hier am laufenden Band Schafe zu malen. Ich muss nämlich meinen Motor ausbauen … Hier … siehst du, das ist jetzt eine Kiste … das Schaf, das du willst, das steckt da drinnen in der Kiste.« – »Ja, ja! Das Schaf da drinnen sieht genauso aus, wie ich es mir gewünscht habe. … «
[© Fotostudio Meile, 1951]
» … Was ist das für ein Ding da, an dem du immer herumbastelst?« – »Das ist kein Ding. … Das ist ein Stück von meinem Flugzeug.« – »Wie! Du bist vom Himmel gefallen?«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Ich werde dir gleich zeigen, was ich jeden Morgen zu tun habe. … Die Vulkane sind zu putzen. Die beiden, die noch Feuer speien zuerst. Dann kann ich mir meinen Kaffee darauf kochen.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Auch den erloschenen Vulkan werde ich säubern. Man kann nie wissen.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Ist das deine einzige Unterhaltung, Kerlchen?« – »Oh nein. Ich kann mir Sonnenuntergänge ansehen. Die liebe ich sehr.« – »Aber da musst du doch noch warten!?« …
[© Fotostudio Meile, 1959]
»Worauf denn warten?« – »Auf den Abend, bis die Sonne untergeht.« – »Du hast noch immer nicht begriffen, wie klein es auf meinem Planeten ist. Ich kann an einem Tag zum Beispiel die Sonne dreiundvierzig mal untergehen sehen, wenn ich will. Ich brauche meinen Sessel nur einige Schritte weiter vorzurücken. Siehst du, wie jetzt.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
Mit Hilfe vorbeiziehender Vögel verlässt der Prinz seinen Planeten und seine Rose.
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Ah! Sieh da, ein Untertan.« –»Wie können Sie mich kennen? Sie haben mich noch nie getroffen.« –»Komm näher, damit ich dich besser ansehen kann.« … »Darf ich mich setzen?« – »Ich befehle dir dich zu setzen!«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Herr – – ich bitte, verzeiht mir, ich möchte Euch etwas fragen.« – »Ich befehle dir, mich zu fragen!« – »Herr. . . . . worüber herrscht Ihr?« – »Über alles.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Über alles? … Und auch auch die Sterne gehorchen Euch? … Machen Sie mir eine Freude . . Ich möchte einen Sonnenuntergang sehen. … « – »…Man muss von jedem fordern, was er leisten kann. … Ich habe das Recht Gehorsam zu fordern, weil meine Befehle vernünftig sind.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Was ist also mit meinem Sonnenuntergang?« –» … Ich werde ihn befehlen. Aber in meiner Herrscherweisheit werde ich warten, bis die Bedingungen dafür günstig sind. … Das wird heute Abend gegen 19 Uhr 40 sein. Und du wirst sehen, wie man mir gehorcht!«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Wenn Eure Majestät Wert auf pünktlichen Gehorsam legen, könnten Sie mir einen vernünftigen Befehl erteilen … innerhalb einer Minute zu verschwinden. Die Gelegenheit scheint ohnehin günstig. Adieu.« – »Gut, gut, so mache ich dich zu meinem Gesandten!«
[© Fotostudio Meile, 1959]
Der Prinz setzt seine Reise mit den Vögeln fort und gelangt zu einem Planeten, auf dem ein sonderbarer Mann inmitten einer Gruppe Spiegel steht. »Guten Tag. Sie haben einen spaßigen Hut auf.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Der ist zum Grüßen. Er ist zum Grüßen, wenn man mir zujauchzt. … Unglücklicherweise kommt hier niemand vorbei. … Schlag deine Hände zusammen!«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Bei dir ist es lustig … « – »Bewunderst du mich wirklich?« –»Ja, ja, ich bewundere dich. Aber wozu nimmst du das so wichtig?«
[© Felicitas Timpe, März 1953 (Bayerische Staatsbibliothek)]
Auch beim Eitlen mag der Prinz nicht länger bleiben und vertraut sich wieder den Vögeln an.
[© Fotostudio Meile, 1951]
Auf einem bedenklich schwankenden Planeten sieht der Prinz im Vorbeifliegen einen Säufer. »Warum trinkst du?« –»Um zu vergessen, dass ich mich schäme.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Weshalb schämst du dich?« – »Weil ich saufe.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
Der nächste Planet wird von einem Mann bewohnt, der ununterbrochen etwas zählt. »Kleine goldene Dinger, von denen die Nichtstuer träumerisch werden. Ich bin ein ernsthafter Mann. Ich habe keine Zeit zu Träumereien.« – »Ach, die Sterne meinst du?«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Und was machst du mit fünfhundertmillionen Sternen?« – »Das macht mich reich.« – »Und was hast du vom Reichsein?« – »Ich kann mir weitere Sterne kaufen …«
[© Fotostudio Meile, 1951]
Da der Geschäftsmann sich vom Prinz gestört fühlt, setzt dieser seine Reise rasch fort.
[© Fotostudio Meile, 1959]
Auf dem nächsten Planeten erfüllt ein Laternenanzünder einen schrecklichen Dienst, denn ... »Das ist die Weisung. … Mein Planet hat sich von Jahr zu Jahr schneller gedreht, und die Weisung ist die gleiche geblieben! … Jede Minute zünde ich einmal an, lösche ich einmal aus. Ich bin schon ganz nervös.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
Auf der Erde ruft der Prinz im Gebirge nach den Menschen. Nur das Echo antwortet ihm. »Ob das die Menschen sind? Dann fehlt es ihnen an Phantasie. Sie wiederholen einfach was man ihnen sagt.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
Angesichts eines ganzen Gartens voller Rosenbüsche, ergreift den Prinzen große Trauer. »Ich glaubte reich zu sein, durch eine einzigartige Blume – und besitze nur eine gewöhnliche Rose.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
Unter einem Apfelbaum begegnet der Prinz einem Fuchs. »Komm und spiel mit mir. Ich bin so traurig.« – »Ich kann nicht mit dir spielen. Ich bin noch nicht gezähmt.« – »Ach, Verzeihung. Was bedeutet das: Zähmen?« – » … Oh, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache. Es bedeutet: sich vertraut machen.« – »Vertraut machen?« –»Gewiss. Du bist für mich jetzt noch nichts anderes als ein kleiner Knabe, der hunderttausend anderen kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht und du brauchst mich ebenso wenig. … «
[© Fotostudio Meile, 1959]
» … Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt.« – »Ich beginne zu verstehen. Es gibt da eine Blume – eine Rose – ich glaube, sie hat mich gezähmt.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
Bei einem neuerlichen Besuch des Rosengartens findet der Prinz bestätigt, dass seine Rose, obgleich nicht einzigartig, für ihn doch einzig in der Welt ist.
[© Fotostudio Meile, 1951]
Zum Abschied schenkt der Fuchs dem Prinz ein Geheimnis. »Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. … Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen. Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich. … «
[© Fotostudio Meile, 1951]
An der Strecke Paris – Kairo sehen der Prinz und der Stationsvorsteher den Reisenden in den Zügen nach. »Waren sie nicht zufrieden dort, wo sie waren?« – »Junger Mann, man ist nie zufrieden dort, wo man ist.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Wasser kann auch gut sein für das Herz. … Du hörst: Wir wecken diesen Brunnen auf und er singt … «
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Kerlchen, ich habe Angst um dich. … Weißt du, es geht mir, wie deinem Fuchs. Du hast mich gezähmt und da läuft man Gefahr ein bisschen zu weinen.«
[© Fotostudio Meile, 1951]
Der Weg zurück zu seinem Planeten und zu seiner Rose ist zu weit, zu schwierig, um ihn zu gehen. Also trifft der Prinz eine Vereinbarung mit der Schlange. Sie soll ihn der Erde zurück geben, der er entstammt. Dazu braucht es bloß einen Schritt.
[© Fotostudio Meile, 1951]
»Es wird dir Schmerz bereiten. Es wird aussehen, als wäre ich tot, und das wird nicht wahr sein … «
[© Fotostudio Meile, Fotomontage zum Nachruf für Walter Oehmichen, 1977]
Kritiken/ Pressestimmen:Uraufführung im Augsburger Marionettentheater:
Das große Ereignis: Der Kleine Prinz
Bei Rilke steht ein Wort, das ganz zu begreifen man wohl ein Menschleben lang braucht: »Herr, gib jedem seinen eigenen Tod.« Das Ende des Dichters Saint-Exupéry ist das treffendste Beispiel für die Auslegung des tiefen Rilkeschen Gebets. Es lässt sich kaum denken, dass er an Altersschwäche sterben oder durch einen sinnlosen Unfall ums Leben hätte kommen können. Er ist den Fliegertod gestorben und wahrscheinlich ins Meer gestürzt; niemals mehr fand man einen Rest seiner Hülle. Wie unwichtig diese Hülle ist, zeigt der »Kleine Prinz«, als er wieder zu seinem Stern zurück will – er streift sie als lästiges Hindernis ab, um schneller fliegen zu können – der Geist in Gestalt der Liebe triumphiert. Man möchte sich den Tod des Dichters so vorstellen: Er wird in der Maschine angeschossen, schwer verwundet und kann noch bei vollem Bewusstsein das Flugzeug in den Himmel steuern, der Sonne entgegen. Der Aether, das unendliche Blau – es ist das Lieblingswort Hölderlins – nimmt ihn auf. Die reine Seele eines reinen Dichters fliegt Gott in die Arme! Er hat seinen eigenen Tod gefunden, einen Tod, um den wir ihn beneiden können, wir, die uns Schwergewichte mancher Art an der Erde kleben lassen.
Man sagt, dass eine einzige Ode Hölderlins die Welt mehr verändert hätte, als alle Schlachten Napoleons zusammengenommen. Dass Frankreich, dass Europa einen »Saint-Ex« (wie ihn die Franzosen nennen) hervorgebracht hat, ist wichtiger als alle Entscheidungen, die in den letzten fünfzehn Jahren auf diesem Kontinent gefallen sind. Denn sie haben uns, in jeder Form, vom Menschlichen weiter entfernt; er aber hat, und vor allem im »Kleinen Prinzen«, uns gezeigt, was das Wesen des Menschen sein soll. Liebe und Verantwortung für den Nächsten, mit dem wir vertraut geworden sind. »Der Kleine Prinz« ist das wesentlichste Buch der letzten Jahrzehnte; er gehört jedem Menschen in die Hand und ans Herz gedrückt, es gehört in jedes Lehrerzimmer und in jeden Schulunterricht. Es ist wichtiger als alle Darstellungen der Philosophie zusammen, denn es lehrt in unübertrefflicher Weise jenes Grundmotiv aller philosophischen Ausgangswege: das Staunen, das Sichwundern über die Dinge der Schöpfung und über den Menschen selbst.
Das Augsburger Marionettentheater, das zu seinem dritten Geburtstag keinen schöneren Anlass finden konnte, ihn voller Berechtigung zu feiern, hat sich mit der Inszenierung ein echtes Ruhmesblatt erworben. Es gibt in der Literatur – mit Ausnahme vielleicht von Büchners »Leonce und Lena« – kein Werk, das so nach der Marionette schreit, wie dieses. Der kleine Prinz, der vom Himmel fällt, ist ja schon an und für sich das »antigrave« Wesen, das Kleist der Marionette zuspricht. Für den Zeichentrickfilm etwa scheint der Vorwurf ungeeigent. Dieses hauchzarte Gebilde darf sich nicht vom Menschen lösen und als technischer Vorgang selbstständig machen. Die Technik des Marionettentheaters ist immer mit dem Menschen verbunden – im übertragenen Sinne sind es die Schnüre der Sympathie, die der Puppe die Bewegung verleihen. Sympathie – auch wieder im wörtlichen Sinn genommen – als Mit-Leiden. Das Mit-Leiden setzt die Herzen in Bewegung – hier scheint mir das tiefste Wesen und die magische Wirkung der Marionette beschlossen zu sein.
Ist es nicht zauberhaft, den kleinen Prinzen das Stühlchen verrücken zu sehen, wenn er die vielen Sonnenuntergänge erleben will? Oder den Laternenanzünder, dieses dichterischste Opfer der Bürokratie, dem man vergessen hat, eine neue Weisung zu geben! Oder das rührende Trippeln des Fuchses, wenn er das Wesen der Zähmung erläutert. Hier liegt – neben dem Wort: Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar, man muss es mit dem Herzen suchen – der dichterische und menschliche Höhepunkt: dass der Mensch dem Menschen verantwortlich ist, dem er sich vertraut gemacht hat.
Die technischen Details sind entzückend gelöst; der Wohnstern des Prinzen und die Szene an der Bahnschranke bleiben wohl vor allem in Erinnerung. Man muss Carlo Schellemann herzlich die Hand drücken für seine kongenialen Bühnenentwürfe, die nur einer liebenden Vorstellung entsprungen sein können. Wenn überhaupt etwas zu diskutieren ist, so die Frage, ob die Rahmenhandlung nicht besser zu lösen wäre. Ein Mensch, »Saint-Ex« , der vor dem Puppenrahmen liegt, sprengt die Dimensionen. Es kommt ein Stich von Gullivers »Liliput« herein, der nicht sehr zuträglich ist, zumal man sich die Proportionen von Prinz und Erwachsenem anders denkt: Hier hätte der Prinz die Größe eines Kindes. Auch der realistische Schluss ist nicht recht geglückt, die Illusion sollte nicht bewusst gebrochen werden. Mit dem aufziehenden Stern ist ein schöner Abschluss gegeben. Dieser Einwand, der leicht gemacht ist, vermindert den großartigen Gesamteindruck kaum.
Der Kritiker, in den Augen mancher Zeitungsleser das kaltschnäuzigste Wesen auf Gottes Erdboden, legt die Feder nieder und freut sich wie ein Kind. Er möchte Walter Oehmichen sagen, dass er mit seiner Tat – denn eine solche ist es – sich den Dank aller Gutgesinnter verdient hat. Sie ist wert, weit über Augsburgs Grenzen hinaus bekanntgemacht zu werden. Denn die Rührung, die uns nach dem Stück überkommt, ist alles andere als sentimental. Sie ist ein echtes Zeugnis, die Probe darauf, ob man noch etwas auf sich halten darf oder nicht. Von dieser Rührung wurde auch Paula, die alte Haushälterin Saint-Exupérys betroffen, die zu der Aufführung aus der Pfalz herbeigereist kam. Jene Paula, die uns den Kinderbrief des Dichters übermittelt hat mit den hilflosen Worten in steiler Schrift: »Paula, ich liebe Sie viel...!«
(Kritik von Dr. Fred Hepp über die Premiere von Der Kleine Prinz)
Etwa einen Monat nach der Premiere präsentierte
Walter Oehmichen seine Inszenierung
Der Kleine Prinz der
Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Ein Zeitungsartikel zeugt von diesem ersten Gastspiel.
Der kleine Prinz auf seiner ersten Reise
Die Augsburger Puppenkiste wurde in München begeistert aufgenommen
Die Wanderbühne des Augsburger Marionettentheaters, an der seit Monaten eifrig gearbeitet wurde, ist fertig. Nun hat Walter Oehmichen die Möglichkeit, mit seiner Puppenkiste Gastspiele in ganz Westdeutschland zu machen. Seit der »Kleine Prinz« in Augsburg mit so viel Erfolg aufgeführt wurde, liefen aus vielen Städten Westdeutschlands Einladungen ein, darunter auch die Aufforderung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, bei der diesjährigen Jahrestagung in München die Abschlussvorstellung zu übernehmen. Am Montagabend wurde der »Kleine Prinz« im Grünen Saal des Nymphenburger Schlosses vom Augsburger Marionettentheater gespielt.
Tag und Nacht ist in der letzten Woche an der Fertigstellung der Reisebühne gearbeitet worden, denn der Termin für die Münchener Reise war ziemlich kurz. Die Reisebühne hat dieselben Maße wie die Augsburger Bühne, ist 4,75m hoch, 4m tief und 8m breit. Eine moderne Stahlkonstruktion, transportabel und leicht zerlegbar, hat Kunstschlosser Rauscher dafür geschaffen. Der eigene Wagen, auf dem die Marioenttenbühne in Zukunft reisen wird, war zu der Münchener Fahrt noch nicht fertig, so wurden Bühne und Puppen auf einen Lastwagen geladen und die erste Reise des »Kleinen Prinzen« nach München konnte losgehen.
Es wurde eine glückhafte Reise, das Marionettentheater spielte vor einem prominenten und kunstverständigen Publikum; die Zuschauer waren begeistert von der Aufführung und wünschten sich eine baldige Wiederholung des Gastspieles.
Für die Reise der Puppenkiste hat Walter Oehmichen ein Gästebuch angelegt, in das sich als erster Ministerpräsident Dr. Ehard eintrug. Auf den nächsten Seiten sind Namen aus dem bayerischen Kulturleben festgehalten, lauter Gäste dieser ersten Vorstellung in München: Wilhelm Hausenstein, der Leiter der Akademie der Schönen Künste, der Karikaturist Olaf Gulbransson, die Dichterin Ina Seidel, Leonhard Frank, Max Unold.
Ende Juni wird die Puppenkiste ihre nächste Reise unternehmen. Sie geht nach Weißenhorn, wo der Kleine Prinz, Aschenbrödel und die Seejungfrau aufgeführt werden sollen. Mit Braunschweig, Hamburg und Osnabrück sind Abmachungen für Gastspiele im Spätsommer getroffen.
(E.S. in der Schwäbischen Landeszeitung, 23. März 1951)
Weitere Informationen:Künstlerischer Erfolg und abenteuerliche Reisen
Oder: Als der kleine Prinz mit Bass-Stimme sprach
In den ersten Jahren nach der Eröffnung der
Augsburger Puppenkiste kämpfte das junge Theater konstant ums Überleben. Dafür war auch die am 21. Juni 1948 in der »Trizone«, dem späteren Westdeutschland, durchgeführte Währungsreform verantwortlich. Das Publikum blieb aus, denn es musste seine spärlichen Mittel in Deutscher Mark für das Lebensnotwendige aufbringen.
Walter Oehmichen gab jedoch nicht auf und führte das Theater durch zwei äußerst entbehrungsreiche Jahre, in denen ihm sein gesamtes Ensemble der ersten Stunde nach und nach zerfiel. In den Sommern der Jahre 1949 und 1950 mussten sich die Angestellten wie auch die Familie
Oehmichen selbst jeweils für die Dauer der ca. zweimonatigen Theaterferien arbeitslos melden, weil die Einnahmen bislang nicht zur Bildung von Rücklagen ausgereicht hatten. Eine fortgesetzte Zahlung der ohnehin schmalen Gehälter war daher in der vorstellungsfreien Zeit nicht möglich.
So hatten sich nach und nach fast all die Leute, die die
Augsburger Puppenkiste mit aus der Taufe gehoben hatten, verabschieden müssen,
21 um fortan einer Tätigkeit nachzugehen, die ihren Lebensunterhalt sicherte. Nur
Manfred Jenning, der paralell auch als Schauspieler am
Augsburger Stadttheater engagiert war, war in der Lage gewesen,
Walter Oehmichen und seiner Familie durch all die Fährnisse treu zu bleiben.
In die Spielzeit 1950/51 startete die
Augsburger Puppenkiste also mit einem fast vollkommen neuen Ensemble, dessen Gehälter noch immer ein sorgenvolles Thema für
Walter Oehmichen blieben – bis ein Stück plötzlich vieles veränderte, wie
Hannelore Marschall-Oehmichen zu berichten wusste:
In der Mitte des Jahres 1950 führte dann mein Vater mit dem schwäbischen Volksbildungswerk [Anm.: gemeint ist der Schwäbische Volksbildungsverband] zusammen mit der Volkshochschule Verhandlungen über einen Zuschuss, der aber nur möglich war, wenn wir auch überregional tätig würden. Und damit begannen Pläne und der Bau unserer Reisebühne. Im Februar 1951 [Anm.: am 25.02.1951] brachten wir dann
Exupérys Kleinen Prinzen zur Uraufführung,
22 und das wurde für die
Puppenkiste der Durchbruch.
Ganz ganz langsam war das Theater wieder besser besucht, aber zu langsam, als dass ein Team davon leben konnte. So wurde alles angenommen, um sich über Wasser zu halten. […]
Mit dem
Kleinen Prinzen begann dann im Jahre 1951 eigentlich auch die Reisezeit der
Puppenkiste […]
(aus Marschall-Oehmichen, Hannelore: Die ersten Jahre, in Puppenspiel Information. Fachzeitschrift für Figurentheater, Nr. 79, 2. Halbjahr. Hamburg: Verband Deutscher Puppentheater e. V., 1998, S. 6-7)
[…] Die
Akademie der schönen Künste hatte uns nach Schloss Nymphenburg mit dem
Kleinen Prinzen eingeladen. Dies war das erste Gastspiel mit der Reisebühne. Der Spezialanhänger, der eigentlich dafür vorgesehen war, war noch nicht fertig. So wurden die Bühne und die Kulissen mal wieder auf einen LKW verladen und gen München geschickt.
23 Die Aufführung [Anm.: am 19. März 1951] war ein voller Erfolg. Viele prominente Gäste waren dabei:
Pillar und Adalbert von Bayern,
Olaf Gulbransson,
Clemens Graf Podewils, die Dichter
Leonard Frank und
Wilhelm Hausenstein,
Ina Seidel,
Dr. Hans Ehard, die Frau von
Carl Orff –
Gertrud Orff und noch viele andere, deren Namen mir leider entfallen sind.
Und nach diesem erfolgreichen Gastspiel begannen unsere »Wanderjahre«! […]
1951 war [Anm.: nach ersten Gastspielen in Weißenhorn und Landshut] eine längere Tournee ins Rheinland geplant. Es war schön durch Deutschland zu reisen, und wir freuten uns, dass unsere
Puppenkiste auch in anderen Städten gefragt war. Die Vorstellungen waren gut organisiert, und das Publikum hatte seine Freude. Doch in einem der letzten Orte zwischen Köln und Düsseldorf blieb unser Omnibus auf der Strecke!
Da standen wir nun mit dem Anhänger und – da ja die Zeiten zwischen Ort und Vorstellung genauestens eingeteilt waren – auch mit der Gewissheit, dass sich in einigen Stunden der Vorhang wieder öffnen sollte. Ich weiß noch, dass sich damals ein leerer Viehtransporter unserer angenommen hat. Der Anhänger wurde durch ihn geschleppt. Wir setzten stehend im Viehtransporter unsere Fahrt nach Düsseldorf fort und spielten unsere Vorstellungen. Die erste allerdings mit einer kleinen Verspätung.
In dieser Zeit des Reisens wurde der Spielplan immer kurzfristig erstellt. Am 15. eines Monats fragten wir uns: »Was spielen wir in 4 Wochen?« Nur so waren auch die relativ kurzfristig geplanten Gastspielreisen möglich. […]
Wir wohnten damals in den billigsten Quartieren – 300,00 DM brachte ein Gastspiel! […]
Wir spielten in Turnhallen, in Schulaulen, in Gastwirtschaftssälen von Bobingen bis Illertissen, von Aalen bis Donauwörth, kreuz und quer – in allen kleinen Orten und das jedes Jahr – möglichst im Herbst und vor Weihnachten. Erst die Fahrt, dann ca. 60 Zentner Gepäck schleppen – aufbauen – drei Vorstellungen spielen – danach der Abbau und die Heimfahrt. […]
Die Spielbrücken werden in einer Turnhalle montiert. Im Bild v.l.n.r.:
Max Bößl,
Walter Oehmichen und
Heinz Jenning[© Herbert Meyer, 1957]
Auf Gastspielreise ist man vor nichts sicher! Dies sind nur einige wenige Episoden aus der Reisezeit der
Augsburger Puppenkiste. Sie dauerte von 1951 bis in die 70er Jahre
24 und war schön, erlebnisreich, aber auch unwahrscheinlich anstrengend und oft auch frustrierend. In Donauwörth herrschte meist eine arktische Kälte. In Rain am Lech musste alles in den 1. Stock transportiert werden, und dann hing neben der Bühne auf einer Balustrade auch noch die Wäsche zum Trocknen. In Oettingen: Lebensmittelvergiftung – fast des gesamten Esembles …
Aus der Reisezeit der
Puppenkiste darf eigentlich Burg Rothenfels nicht unerwähnt bleiben. Wir wurden eingeladen im September 52 [Anm.: 05.+06.09.1952] zur ersten Tagung der bundesdeutschen Theatergemeinden dort zu gastieren. Der Reisebus mit Anhänger fuhr also gen Rothenfels nah bei Würzburg. Doch, oh Schreck, als wir die Burg erreichten, war das Burgtor zu niedrig. 60 Zentner Gepäck über einen langen Burghof schleppen?! – Doch der Burgherr wusste Rat – es wurde ein Ochsenkarren organisiert, und wir luden also die Reisebühne, Kulissen und alles was nötig war auf den Karren.
Ich glaube [die Ochsen mussten] mindestens achtmal hin und her trotten, bis die ganze Last im Burginneren war und die gleiche Prozedur begann in umgekehrter Reihenfolge um 22:30 Uhr von neuem, als die Vorstellung zu Ende war. […]
Ein Wagen mit 2 OS (Ochsenstärken) soll die Strecke vom Burgtor in den Burghof überbrücken. Jetzt heißt es umladen für das Ensemble (im Bild v.l.n.r.:
Manfred Jenning,
Margot Kratzsch und
Max Bößl ein Gitter auf den Wagen hebend, darüber im Anhänger
Walter Oehmichen; außerdem drei nicht bestimmbare erwachsene Personen sowie einige schaulustige Kinder.
[© Franz Peyker, 1952]
Von Lindau brauchten wir einmal im tiefsten Winter
25 eine ganze Nacht um nach Hause zu kommen. Um ca. 23:00 Uhr war Abfahrt, und morgens um 7:00 Uhr waren wir endlich wieder in Augsburg. Im Reisebus selber war es eiskalt und alle 100 Kilometer war der Motor eingefroren und musste neu aufgetaut werden. Aber wir benötigten einen Bus als große Zugmaschine für unseren Reisebühnenanhänger, der ja einem Möbelwagen glich. Wir waren also um 7:00 Uhr wieder daheim, und um 9:00 Uhr ging's in der Spitalgasse mit der ersten Vorstellung schon wieder weiter.
Dieser Bericht soll nur ein kleines Beispiel unserer Strapazen sein, und so ein Abstecher war kein Einzelschicksal! Oft mussten wir auf unseren Fahrten aussteigen sobald es galt, einen kleinen Berg zu überwinden. Wir stiegen aus, schoben Bus und Anhänger an und liefen hinterher. Die alten Motoren mit ihrem »12-Gänge-Menü« schafften diese Last nicht. Oben am Berg durften alle Mann wieder Platz nehmen, und die Fahrt ging weiter bis zum nächsten Hügel. […]
Aber dann [Anm.: Spielzeit 1955/56] kündigte sich ein großes Ereignis an: Wir sollten in Südtirol ein Gastspiel geben! Die
Puppenkiste war über die Grenzen Deutschlands hinaus gefragt! – Wir waren stolz! Im Großen und Ganzen war es eine schöne aber anstrengende Reise. Ich erinnere mich an San Vigilio. Es war Februar, wir kamen dort an und wollten uns nach dem Saal durchfragen. Da kam uns im tief verschneiten Ort auf dem Fahrrad ein ganz junger Herr (eigentlich ein Jüngelchen) entgegen, eingehüllt in einen Schal, weil er Zahnschmerzen hatte, stellte sich vor: »Ich bin der Präsident«. Selbiger Präsident lotste uns nun zum Saal, und wir stellten zu unserem Schrecken fest, dass die Bühne nicht die Mindestmaße hatte, die wir für den Aufbau unserer Theaterbühne brauchten.
»Unmöglich, hier können wir nicht aufbauen« – die Antwort: »Aber Sie müssen! Die Kinder kommen extra zum Teil zwei Stunden weit vom Berg her und haben auch dann wieder den gleichlangen Heimweg. – Bitte enttäuschen Sie sie nicht!« Also mussten Schreiner her, die die Bühne nach vorne vergrößerten – es war aber Mittagszeit, und da schläft ein südtiroler Dorf im Winter. Aber der Präsident hat es geschafft, die Schreiner kamen.
Fast fertig: Die Kiste ist vor den Spielbrücken angebracht. Nun muss die Konstruktion nur noch mit einem Vorhang verdeckt werden.
[© unbekannt]
Bald strömten auch Kinder [herbei] und schauten mit großen Augen zu, wie wir unsere Bühne aufbauten und freuten sich dann über das Märchen, das wir ihnen vorspielten. Abends lief dann
Der Kleine Prinz. – Gut, das Interesse der Bergbauern hielt sich in Grenzen! Also war diese Vorstellung schlecht besucht. Und es passierte, dass die Voltzahl der Stromversorgung immer tiefer sank. Wir hatten uns schon damals die Technik zunutze gemacht,
26 und die helle fragende Stimme des kleinen Prinzen sank ab in ein tiefes, langsames, fast nicht mehr verständliches Brummen. Nun gut – bei dieser Vorstellung im Bergdorf hoch oben in den Dolomiten war das vielleicht gar nicht so bedeutsam.
Es waren nur einige Reihen besetzt, und wir hatten das Gefühl, dass diese wenigen Zuschauer es als eine geheime Gemeinderatssitzung deklarierten. Es wurde ununterbrochen getuschelt und geschwätzt, und es war das einzige Mal, dass mein Vater, der ja damals den Flieger verkörperte, sagte: »Heute gehe ich am Schluss nicht mehr vor die Bühne!« – Nach der Vorstellung wurde abgebaut – eingeladen – mal wieder geschafft!
Am nächsten Morgen ging es weiter. Es war ein kalter Wintermorgen, als wir unsere Reise fortsetzen wollten. Doch so schnell ging das nicht! Unser Busfahrer lag erstmal unter seinem Wagen – dort hatte er ein Feuerchen entzündet, da wieder mal ein Bus eingefroren war.
Unsere Reise führte uns auch nach Eppan. Wir spielten dort in einem alten Kino. Alles klappte, – der Aufbau ohne Verzögerung – alles bestens – dann abends wieder
Der Kleine Prinz. Der Zuschauerraum war voll – leider war aber die Sonne weg, somit war es wieder eiskalt, und das Kino musste tüchtig beheizt werden. Der Flieger [Anm.: Nach dem Flugzeugabsturz zu Beginn des Spiels sieht sich der Flieger auf der Bühne um und ruft, da so weit das Auge reicht nur Wüste zu sehen ist, einige Male etwas in der Hoffnung auf Antwort. Laut Skript antwortet ihm jedoch nur Stille.]: »Ahoi! – Wie leer das klingt.« – Wumm – machte es im Zuschauerraum, und so ging das alle 10 Minuten – Wumm – ein enormer Krach. In diesem Kino standen 8 Sägemehlöfen, eine Erfindung der Nachkriegszeit, doch solche Öfen hatten die Eigenschaft, alle 1/2 Stunde sich mit einem mächtigen Wumm [Anm.: einer Staubexplosion] bemerkbar zu machen, und das bei 8 Öfen! Die Stimmung war schwer zu halten!
(aus: Marschall-Oehmichen, Hannelore: Die erste Reisebühne, in Programmheft Kabarett 97. Augsburg: Augsburger Puppenkiste, 1996, S. 11-13.)
Trotz aller Widrigkeiten halfen die Gastspiele das Theater finanziell auf ein stabiles Fundament zu stellen. Dazu trugen auch die Werbespiele bei, die gleichfalls ab 1951 aufgeführt wurden. Einen wichtigen Beitrag, nicht nur zur finanziellen Sicherung der
Puppenkiste, sondern auch zur weiteren Steigerung ihrer überregionalen Bekanntheit, leisteten dann in den Jahren 1954 und 1955 die regelmäßigen Fernsehgastspiele beim
Hessischen Rundfunk, die ihrerseits mit einer Übertragung von
Der Kleine Prinz ihren Anfang nahmen.
So ebnete das Stück gemeinsam mit anderen live übertragenen Bühnenstücken den Weg zu
Manfred Jennings vom Theater gelösten Fernseharbeit, die den Namen »
Augsburger Puppenkiste« ab 1959 deutschlandweit zu einer nicht wegzudenkenden Größe der Kinderunterhaltung im Fernsehen machte.
Als das
Deutsche Institut für Puppenspiel zwischen dem 5. und 9. Juni 1961 die »4. Deutsche Puppentheaterwoche« in Mannheim ausrichtete, gastierte auch die
Augsburger Puppenkiste dort. Neben
Die zertanzten Schuhe,
Mopsuskomödien und
Die Dreigroschenoper führten die Augsburger auch
Der Kleine Prinz auf.
Im Rahmen der Veranstaltungswoche fanden neben den Vorstellungen auch Sitzungen statt, die die Puppenspieler dazu nutzen, miteinander über ihre Arbeiten zu sprechen. So wurde natürlich auch das dargebotene Gastspiel der
Puppenkiste diskutiert – im Beisein von
Walter Oehmichen und seinem Ensemble.
[…] eine Diskussion unter Puppenspielern. Die sind manchmal ein bissel sehr streng zu einander. Denen gefällt sowieso nicht alles so [ohne Weiteres]. Und es stand einer auf: »Karl Heinz Piefke.
27 Ich habe eine Frage.« – »Ja?« – »Mir hat nicht gefallen, dass ein lebendiger Mensch auf der Bühne war.« – Worauf
Manfred Jenning aus dem Hintergrund sagte: »Einen Toten haben wir leider nicht zur Verfügung gehabt.« … Damit war die Diskussion beendet.
(Margot Schellemann während eines Gesprächs mit Borwin Schultz in Rahmen der Vortragsveranstaltung Marionetten Theater Literatur von Martin Faller in der Zentralbibliothek Essen am 14.11.2003)
Auch wenn
Jenning die Kritik durch seine Äußerung mit allgemeinem Gelächter erstickt hatte, war der bewusste Puppenspieler mit seiner kritischen Ansicht zur Kombination von Schauspieler und Puppe in dieser Inszenierung nicht ganz allein. Auch im Feuilleton waren diesbezüglich bereits 1951 Zweifel zu lesen gewesen. Für andere Kritiker barg genau dieses Zusammenspiel von Mensch und Marionette allerdings den besonderen Reiz der Inszenierung – ein Zusammenspiel, auf das übrigens auch schon der Theater- und Fernsehpuppenspieler
Rudolf Fischer gebaut hatte, als er als erster deutscher Theatermacher noch vor Herausgabe der deutschen Übersetzung und also entgegen anderslautender Berichte bereits vor
Walter Oehmichen Der Kleine Prinz zur deutschen Uraufführung brachte.
Durch die beständigen Zuschauerzahlen bei Wiederaufnahmen der Inszenierung in der
Puppenkiste war das Stück jedenfalls zur Zeit der bewussten Puppentheaterwoche in Mannheim längst ein Zugpferd des Augsburger Marionettentheaters geworden – auch bei auswärtigen Gastspielen.
Es gehörte zum festen Repertoire des Theaters, das zwischenzeitlich generell verstärkt auf die Aufführung bewährter Stücke zu setzen begonnen hatte und die Zahl der Neubearbeitungen und Neuinszenierungen mit jeder Spielzeit weiter senkte.
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Immer wichtiger und zeitintensiver wurde indessen die Fernseharbeit. Mit
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (1961),
Jennings erster im Spielfilmstil gedrehten Kinderserie, endete aber zugleich auch eine Ära. Fortan produzierte der
Hessische Rundfunk zwar jährlich eine Serie mit den Figuren aus Augsburg, aber die Zeit der mit Kameras eingefangenen Bühnenstücke für erwachsene Zuschauer fand ihr Ende.
Zwischen dem 15. und 18. Januar 1962 war es wiederum
Der Kleine Prinz, der als letzte Fernsehproduktion für das Abendprogramm mittels MAZ-Technik aufgezeichnet wurde.
So wurde die
Puppenkiste im TV zu einer reinen Kinder-Kiste – als solche jedoch in Deutschland zu einem kulturellen Phänomen und infolge zunehmender Sendelizenzverkäufe ab den 1970er Jahren auch weltweit bekannt.
Der Kleine Prinz verschwand in diesem Jahrzehnt allerdings von der Marionettenbühne in Augsburg. Schon mit Ende der Spielzeit 1965/1966 hatte die bis dato sehr erfolgreiche Reihe von Wiederaufnahmen des Stücks in den Spielplan des Theaters ein vorläufiges Ende gefunden. Die Aufführungsrechte waren in die USA verkauft worden. Zwar erfuhr das Stück zwischen November 1968 und März 1970 noch einmal 20 Aufführungen, aber anschließend fand es erst 1979 im Rahmen einer Neuinszenierung wieder auf Dauer den Weg zurück in die
Augsburger Puppenkiste.